Radiomachen in Afrika. Ein Praktikumsbericht aus Namibia.
Gastartikel von Till Kohlwes
Seit ich zehn bin, habe ich den Traum Radiomoderator zu werden. Als Kind saß ich meist am Samstagnachmittag vor dem Radio und hörte die Bundesliga Konferenz. Henry Vogt kommentierte die Werder Bremen Spiele live auf bremeneins. Ich war einfach nur fasziniert. Und egal wer mich fragte: „Till, was möchtest Du mal werden?“ Meine Antwort lautete: „Radiomoderator“. Und Überraschung: Ein Ausflug nach Namibia hat mich diesem Traum näher gebracht.
Schuld ist meine Mitbewohnerin und ihrer Freundin. Die saßen im Sommer 2015 in unserer WG und planten ihre Reise nach Ecuador und Peru. Eine von beiden wäre aber lieber nach Namibia geflogen. Da wurde ich hellhörig. Denn: Namibia? Ehemals Deutsche Kolonie? Da gibt’s doch bestimmt noch viele Menschen mit deutschen Wurzeln? Also vielleicht auch ein deutsches Radioprogramm? Ich setzte mich an mein Laptop und tippte „Praktikum Namibia Radio deutsch“. Ergebnis: Hitradio Namibia suchte Praktikanten. „Bewirb Dich jetzt!“, hieß es. Ich war Feuer und Flamme. Ich schickte einen Lebenslauf, mein Motivationsschreiben und eine Hörprobe nach Windhoek. Die Antwort kam sofort: In einem Jahr wäre noch ein Platz zu haben. Ich zögerte keine Sekunde und sagte zu. Die Chance war einzigartig: Deutsches Radio in 10.000 Kilometer Entfernung. Die Freude war riesig, bin ich doch zuvor noch nie auf einem anderen Kontinent gewesen.
Über den Autor Till Kohlwes
Nordlicht aus Bremen. Jahrgang 1990. Derzeit Student an der Uni Tübingen. Radiobegeistert von Kindesbeinen an. Seit 2014 im Einsatz für das SWR-Studio Tübingen. Macht dort Radio und Online. Über sein Radiopraktikum in Namibia hat er auch gebloggt.
Am 31. März 2016 ging es los: Ich saß 10 Stunden im Direktflieger ab Frankfurt. Im Vorfeld hatten wir alles geregelt: vom Visum bis zum Taxiabholdienst am Flughafen in Windhoek morgens um 5 Uhr 30. Um halb sieben kam ich beim Sender an. Der Chefmoderator und Gründer von Hitradio Namibia, Wilfried Hähner, begrüßte mich an der Tür. Gesehen hatte ich ihn noch nie zuvor, aber seine Stimme kannte ich schon aus dem Internetradio. Ich war kaputt vom Flug und etwas überfordert mit der neuen Umgebung. Ich wusste nicht was mich erwartet, was ich alles tun darf – vielleicht sogar moderieren? Aber Wilfried nahm mich gleich mit in das kleine Studio. Er hatte den Sender gegründet und ich merkte, wie stolz er war auf sein „Baby“. Ich stellte mich den Hörern bei einem kleinen Interview vor und hatte wahre Glücksgefühle. Ich würde ab jetzt jeden Tag Beiträge, Interviews und Radio machen – direkt neben meinem Zimmer, das direkt im Sender war. Ich zählte die Schritte: drei ins Büro und 23 ins Studio.
In den nächsten Tagen lernte ich das komplette Team kennen. Bille, Steffi und Willi waren für Hitradio Namibia zuständig und die Schweizerin Selina, die mit mir zusammen das Praktikum rocken wollte. Eigene Themenvorschläge waren erwünscht und so machten wir uns an die Arbeit im eigenen kleinen Büro für die Praktikanten. Unter anderem fertigten wir tägliche Veranstaltungstipps an. Mal eine Karnevalsveranstaltung, ein Konzert im Warehouse Theatre in Windhoek oder doch das Treffen der Nachbarschaftswache. Der Karneval in Namibia war das bestimmende Thema in den ersten Tagen. Der WIKA, der Windhoeker Karneval, stand vor der Tür. Für mich als deutsches Nordlicht war das alles neu. Mit Karneval bin ich nicht aufgewachsen und plötzlich war ich mittendrin.
Mit der Technik in den zwei Selbstfahrerstudios wurden wir sehr schnell vertraut. In so einem kleinen Team war ich als Praktikant direkt gefordert. Eine Morgen-, eine Mittag- und eine Nachmittagsendung galt es mit Interviews und Beiträgen zu füllen. Wir durften alle Themen bearbeiten, die uns interessierten. Ich wurde immer wieder überrascht, wie deutsch es noch in Namibia zuging. Mein erstes eigenes Interview führte ich mit einem namibischen Entwickler mit deutschen Wurzeln über seinen Chip, der die Raumfahrt revolutionieren sollte. Schnell wurde noch ein Foto für die Facebookseite gemacht, damit jeder wusste, warum es sich lohnt am nächsten Morgen Hitradio einzuschalten. Knackige Anmoderationen für den Morgenmoderator Willi zu schreiben war kein Problem für mich. Mal erzählten wir lustige Geschichten, mal brachten wir den Hörern neue Regelungen in Namibia näher, mal interviewten wir den Besitzer des Windhoeker Tierheims oder Jürgen Wiesmann vom Mainzer-Carneval-Club, der zu Gast in Namibia war.
Nach einer Woche ging Mittagsmoderator Andreas in Urlaub. Willi fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, die Sendung zu übernehmen. Das hieß: eine Stunde Live-Moderation! Es kribbelte in meinem Bauch. Ja, ich wollte. Zu Beginn sah mir Willi noch über die Schulter. Die Routine im Selbstfahrerstudio musste sich natürlich erst einspielen. Jeder kleine Knopfdruck hätte für Aussetzer vom Programm sorgen können.
Kurios dabei: Meine erste Wettermeldung. Denn Regen gilt bei Hitradio Namibia als „breaking news“, das heißt: Sie wird sofort durchgegeben. Ganz einfach, weil in einem so trockenen Land wie Namibia jeder Tropfen Regen Gold wert ist. Meist entspannt dagegen: Der Verkehrsfunk. Es gibt kaum Staus in dem weitläufigen Land, aber immer wieder Unfälle in der Hauptstadt. Meist erfährt der Sender davon durch seine Hörer. Sie können unter der Telefonnummer 444 333 jederzeit anrufen.
Dann folgte meine erste Moderation: „Heute am Mikrofon Till Kohlwes, ich freue mich auf meine erste Sendung bei Hitradio Namibia, wenn Sie wissen wollen, was auf der Welt alles am 7.April passiert ist, dann bleiben Sie dran. Es ist 12 Uhr und 4 Minuten.“ Ich wusste, dass in der Heimat Freunde und auch meine Familie Internetradio hörten. Ein unbeschreibliches Gefühl. Bei jeder Moderation raste das Herz wie bei einer Achterbahnfahrt. Ich war geladen von purem Adrenalin. Ich hatte meinen Traum wahr werden lassen. Es war kein Hirngespinst mehr. Ich durfte moderieren.
Morgens sah ich noch meiner Kollegin Bille beim Moderieren über die Schulter. Nachdem Andreas den Mittag wieder übernommen hatte, wurde ich an den Nachmittag gelassen. Zu Beginn schrieb ich mir jede einzelne Moderation auf. Doch durch Rückmeldungen von Freunden merkte ich, dass das nicht ich war, den sie durch das Mikrofon hörten. Es war gekünstelt, ich sprach nicht so wie ich normalerweise sprach. Mein neues Konzept hieß also: nur noch Stichworte zu notieren und das half immens.
Worauf es beim Radiomachen und beim Moderieren ankommt, lest Ihr auch in „Radio machen“, dem Einsteigerbuch von Sandra Müller, der Betreiberin dieses Blogs, und natürlich unter den jeweiligen Stichworten hier auf radio-machen.de. Viel Spaß.
Und immer wieder 444 333. Wenn Hörer mich im Studio direkt anriefen, merkte ich, dass ich gehört wurde. Mal war es Frau Ohm, 88 Jahre alt aus Ojiwarongo, die sich nach meinem Knie erkundigte, da ich kurz zuvor von meiner Knie-Operation berichtet hatte. Oder ein älterer Herr aus einem deutschen Altersheim in Lüderitz, der immer über die neusten Fußballergebnisse informiert werden wollte. Musikwünsche oder einfach eine kurze Runde mit dem Moderator quatschen, das gehörte einfach dazu.
Als Willi in Urlaub ging, kam die große Chance: der Morgen! Das Programm, das am meisten gehört wird. Ich bin eigentlich ein Morgenmuffel, doch dafür stand ich gern um 5 Uhr in der Früh auf. Bille und ich versuchten uns an einer Doppelmoderation.
Das Feedback hätte besser nicht sein können. Wir etablierten das Format und spielten uns immer wieder die Bälle in den Moderationen zu. Es wurde zu einer Routine, die sich mehr als gut anfühlte. Die technischen Griffe wurden zur Selbstverständlichkeit. Solche Chancen hatte ich mir vorher nicht ausmalen können.
Das Team war super eingespielt. Nach der Sendung ging es schon gleich an die Planung für den nächsten Morgen und an die Unterstützung für Selina, die die Nachmittagssendung übernommen hatte. Teaser auf die nächste Sendung wurden eingesprochen. Trotz wenig Personal holten wir das meiste heraus. Auch Außentermine fanden statt wie beispielsweise Pressekonferenzen, Empfang einer neuen Airline am Flughafen oder ein Termin bei einer Künstlerin vor Ort. Mal waren die Interviews auf Englisch und mal auf Deutsch. Irgendwann kannten die Hörer und Interviewgäste meinen Namen aus dem Radio. Wenn ich auf Termine mit deutscher Beteiligung kam, wussten sie sofort mit wem sie es zu tun hatten. Das war ein überragendes Gefühl.
Deshalb: Lust auf Radioerfahrung mit täglichen Einsätzen vor unter hinter dem Mikrofon? Dann ist ein Praktikum bei Hitradio Namibia genau das Richtige.
Und den freien Wochenenden gibt’s zusätzlich Reiseabenteuer: Mit Giraffen, der ältesten Düne der Welt oder Swakopmund, dem namibischen „Nordseebad“. Go for it.
Über dieses Blog:
Auf www.radio-machen.de schreibt die Hörfunkerin Sandra Müller über alles was Audio ist, kann, faszinierend macht. Das macht sie auch auf Twitter und facebook. Sie freut sich über Gastautoren, die auch Lust haben, über Audio und Radio zu schreiben.