Richtig und doch falsch.

Warum korrekte Begriffe im Radio nicht immer helfen.

Was ist ein „Poller“?
Halt! Stopp! Nicht googeln. Nur kurz nachdenken.

Also: Was ist ein Poller? Wofür ist der gut? Wo habt Ihr schon mal einen gesehen? Und – ganz wichtig: Wie sieht so ein Poller aus? Nachgedacht? Gut.

Und jetzt: Vergesst das Wort. Streicht es aus Eurem Radio-Wortschatz.
Es ist – wie viele andere (Fach)Begriffe – für Hörfunker überflüssig. Meistens jedenfalls. Warum, hab ich jüngst mit einer jungen Radiokollegin erlebt.

Die Hospitantin sollte nämlich ein Stück machen über eine „Verkehrsposse“ in einem kleinen Ort bei Tübingen. Dort fahren seit einiger Zeit jede Menge Pendler auf einem kleinen Weg durchs Dorf, um den großen Stau auf der Bundesstraße zu umfahren. Doch die Anwohner sind genervt. Also sperrte die Gemeinde den Weg ab. Mit „Pollern“. So hatte das der zuständige Rathausmitarbeiter vor Ort genannt. Und so nannte das die Kollegin im Beitrag.

Nur: Ich hatte die Absperrungen schon vorher gesehen und war irritiert. „Poller? Da sind doch keine Poller! Da sind…äh…so Stangen! Rotweiß.“ „Ja, die heißen Poller,“ sagte die junge Kollegin. Sie tippte das Wort bei Wikipedia ein. „Stimmt.“

Im Straßenverkehr bezeichnet man als Poller oder Pfosten kleine Pfeiler oder ähnlich gestaltete Elemente aus Metall, Holz oder Beton. (www.wikipedia.de)

Na gut. Aber ich hatte beim Wort „Poller“ ganz anderes vor meinem inneren Auge. Für mich waren Poller diese kleinen gedrungenen Stahlpflöcke am Hafen. Die Dinger, an denen man die Taue fest macht. War ich da die einzige? Ich konnte es nicht glauben und machte den Redaktionstest.

„Kurze Frage in die Runde: Was ist ein Poller? Wie sieht der aus?“
„Äh. Das sind so Betondinger. So große, die Parkplätze begrenzen.“
„Nein, das sind so im Boden versenkte Absperrungen, die nach Bedarf hochkommen. Ihr wisst schon: In Fußgängerzonen.“
„Hm. Poller? Sind das nicht die Dinger für Schiffstaue? Also jedenfalls ist das was Massives, Schweres, Gewichtiges.“

Ich grinste. Keine enizige Kollegin hatte bei „Poller“ an dünne Stangen gedacht, die rotweiß aus dem Boden ragen. Also: Nicht das richtige Wort für uns. Denn im Radio geht es drum, das richtige Bild im Kopf zu erzeugen.

Also was? Absperrungen? Stäbe? Stangen? Pfosten? Wir einigten uns am Ende auf „rotweisse Sperrpflöcke“. Denn ein weiterer Test unter den Redaktionskolleginnen ergab: Dann hatten sie das richtige Bild im Kopf. Bingo.

Übrigens: Das Poller-Ratespiel hab ich im Freundeskreis tagelang betrieben. Und unter schätzungsweise 15 Testkandidaten hatte kein einziger die „richtige“ Vorstellung davon. Einer hatte das Wort sogar noch überhaupt nie gehört.

Und warum war das Ganze nun eine „Verkehrsposse“? Weil die Sperrpflöcke nix gebracht haben. Die Autofahrer haben sie einfach umkurvt oder sich mit Minis und Smarts zwischendurchgequetscht. Insofern ist „Sperr“pflock natürlich vielleicht auch das falsche Wort. :)

6 Antworten auf „Richtig und doch falsch.“

  1. Tja also ich muss da deine Kollegin in den Schutz nehmen. Mir ist „Poller“ auch geläufig und es fällt alles darunter, was man sich unter „Sperrpfosten“ vorstellen kann. Auch die rotweißen Pfosten.

    1. Du musst die Kollegin gar nicht in „Schutz“ nehmen. Niemand hat sie „angegriffen“. ;)
      Ich weiß, dass die Kollegin den richtigen Begriff verwendet hat. Nur waren die meisten im Test eben nicht so schlau wie ihr beide bzw. hatten beim Begriff Poller nicht gleich das richtige Bild im Kopf. Nur darum ging’s.

  2. Ein höchst unterhaltsamer Beitrag! Ich musste beim Lesen schon etwas schmunzeln. In der Tat trat mir bei dem Wort „Poller“ auch etwas Massiveres vor mein geistiges Auge. Es ist erstaunlich, wie ein einzelnes Wort ein gänzlich anderes und falsches Bild erzeugen kann, obwohl es richtig verwendet wurde. Die deutsche Sprache hat für alles die korrekte Bezeichnung, jedoch hilft diese nicht immer weiter, wenn es um die Verständlichkeit geht. Erst neulich musste ich erfahren, dass meine Lieblingsfarbe nicht etwa „dunkles Pink in Richtung Lila“ heißt, sondern „Verkehrspurpur“! Bei diesem Farbnamen hilft ein schneller Blick ins Internet, da er einigen Leuten unbekannt sein dürfte. Problematischer sind Worte und Sätze, die wir falsch in unseren Köpfen abgespeichert haben. An diesen Artikel werde ich in Zukunft immer denken, wenn ich das Wort „Poller“ höre!

  3. Ich habe das Wort Poller vorher auch noch nie gehört. Unter „Sperrpflöcke“ kann man sich da eher etwas vorstellen. Im Radio ist es schon wichtig, dass Wörter verwendet werden, die jeder versteht. Sonst versteht man ja gar nicht worum es geht.

  4. Das Wort „Poller“ ist mir auch nicht geläufig. Und wenn so ein Wort im Radio läuft, würde sich wohl kaum jemand die Zeit nehmen, es erstmal auf Wikipedia nachschlagen. Gut, dass Radiosender auf so etwas achten. Radiobeiträge sollten gut verständlich sein, wenn die Zuhörer das Gesagte auch bewusst aufnehmen und nicht sofort wieder vergessen sollen.

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