Mikro hinhalten reicht nicht. (Teil 3)

7 Tipps für gute Aufnahmen bei Großereignissen.

(Gute) O-Töne sammeln ist anspruchsvoller als man denkt. Vor allem, wenn man als Reporterin von großen Veranstaltungen berichtet. Von Demos, Podiumsdiskussionen, Bürgerversammlungen, Vorträgen. Wer da unvorbereitet hingeht, bringt meist wenig brauchbare O-Töne heim. Meine Erfahrungen, meine Tipps:

Die Ministerpräsidentin kommt. Zum Bürgerempfang. Sie wird in der Turnhalle eine Rede halten und hunderte Zuhörer werden erwartet. Im Anschluss dürfen die Gäste auch Fragen stellen. Das könnte spannend werden. Denn in der Gemeinde gibt’s einige strittige Themen und Forderungen.

Für mich heißt das: Ich will gewappnet sein und die spannendsten Momente auf jeden Fall aufnehmen. Dazu reicht es nicht, sich einfach ins Publikum zu setzen und bei Bedarf das Aufnahmegerät in die Luft zu halten. Denn solche Aufnahmen in einer Halle (oder auf Marktplätzen) sind meist zu leise, verhallt, verrauscht, dumpf und wenig prägnant, mit zu viel Hintergrundatmo und ablenkenden Nebengeräuschen. Und selbst wenn sie auf dem Kopfhörer noch gut zu verstehen sind: Später im Radio bedeuten sie für alle, die zu hören beim Autofahren, Zähneputzen, Kaffee kochen, eine unnötige Anstrengung. Das muss nicht sein. Ich rate deshalb:

1. Sich für die Aufnahme ins Mischpult einstöpseln.

Bei großen Veranstaltungen gibt es meist eine Verstärkeranlage vor Ort, also Saalmikrofone. Mindestens für die Redner. Oft auch für die Fragerunden. Geregelt werden sie meist über ein zentrales Mischpult. Dort kann ich aufnehmen, was an Reden und Wortmeldungen in den Saal geht.

Gelegentlich gibt es dafür eigens eine „Splitbox“, einen Tonverteiler also, an dem sich Radiojournalisten einstöpseln können. Und gute Pressestellen bereiten sowas vor. Üblich ist es dennoch nur bei medialen Großereignissen (der Bundespräsident auf Reisen) oder journalistischen Standardsituationen (Bundestag), nicht aber bei Terminen auf dem Land.

Üblicherweise frage ich mich also selber schon am Tag vor der Veranstaltung zum zuständigen Techniker durch (oft ist es der Hausmeister). Ich möchte wissen, ob und wie ich mich ins Mischpult einstöpseln kann. Die Antwort heißt meist: Mit XLR-Stecker oder „großer/kleiner Klinke“. Manchmal auch: Mit Cinch.

Aber selbst wenn ich vorab niemanden erreiche, habe ich eine Kabel- und/oder Steckerauswahl in der Tasche, will heißen: ein Kabel fürs Aufnahmegerät und Adapter für die üblichen Mischpulteingänge.

Foto: Andreas Renz
So kommt man in jedes Mischpult: Für (fast) jeden Stecker den passenden Adapter.

Außerdem kläre ich, wie weit das Mischpult von (m)einem Sitzplatz im Saal entfernt ist. Dann packe ich ein entsprechendes Verlängerungskabel ein. Der Grund: Ich lasse mein Aufnahmegerät ungern unbeaufsichtigt, will aber auch nicht gezwungen sein, direkt beim Mischpult zu sitzen. Nicht selten nämlich ist das hinter der Bühne. Ich aber will als Reporterin die Stimmung im Saal mitkriegen.

Apropos Stimmung im Saal: Sich ins Mischpult einstöpseln ist genial für saubere Aufnahmen der Reden und Wortmeldungen. Was der Mischpultaufnahme aber fehlt, sind die Reaktionen des Publikums. Also: Applaus, Zwischenrufe, Ahs, Ohs, Buhs. Weil die bei so einer Veranstaltung im Zweifel wichtig sind, rate ich:

2. Zusätzlich eine Saalaufnahme vom Platz aus machen.

Oft lege ich mir mein Aufnahmegerät dazu einfach auf den Schoß, stelle es auf ein Fensterbrett oder unter den Stuhl. Die Reaktionen aus dem Saal lassen sich dann später mit den Wortaufnahmen zusammenschneiden.

3. Ein Richtmikro mitnehmen.

Mit einem Richtmikro gelingen einem bei Großereignissen mit viel Publikum selbst dann ganz passable Aufnahmen, wenn es keine Splitbox und keine Möglichkeit zum „Mischpult-Klau“ gibt. Es verstärkt gezielt Tonsignale, die aus der Richtung kommen, auf die das Mikro zeigt. Störende Nebengeräusche werden weggedrückt, die gewünschte Rednerstimme ins Zentrum der Aufnahme gerückt.

Für alle Fälle bewaffnet: Langes Kabel, Stativ, Richtmikro.

Wichtig: Das Mikro möglichst ruhig auf die Rednerin ausrichten, wenn möglich vielleicht sogar mit einem Stativ aufstellen. Denn durch die Richt-Charateristik verändern sich die Aufnahmen sehr schnell, wenn man das Mikro bewegt. Außerdem sind Richtmikrofone sehr empfindlich auf Handgeräusche. Will heißen: Wer sie viel bewegt, hört später oft das Umgreifen der Finger und die Bewegung der Hand.

Trotz Richtmikro gilt übrigens:

4. Sich in die erste Reihe setzen.

Richtmikros „hören“ zwar deutlich weiter als normale Reportermikros und auf freiem Gelände kann man mit ihnen durchaus verstehen und aufnehmen, was in zig Metern Entfernung gesprochen wird. In einem großen Saal oder bei einer Demo auf dem Marktplatz hilft das aber nicht so wahnsinnig viel. Denn zwischen mir und der Rednerin auf der Bühne sind trotzdem viele Menschen, die husten, Bonbons auswickeln, an Hemden zupfen. Und solange sie das in meinem Aufnahmekorridor machen, zerknirschen, zerrascheln, zerknistern sie mir damit auch meinen Mitschnitt. Deshalb: Je näher dran, desto besser. Auch mit Richtmikro. Und: Pegel im Blick behalten. Klar. Aber was, wenn vorne alles voll und kein Durchkommen ist? Dann eventuell:

5. Direkt am Lautsprecher aufnehmen. Mit Vorsicht.

Foto: Rebecca Lüer
Wenn’s mal wieder keine Splitbox gibt: Ran an den Lautsprecher.

Wer sein Mikro direkt an den Lautsprecher hält, kriegt die Rednerstimme natürlich lauter und präsenter aufgenommen, als mit einem hochgereckten Reportergerät aus der Menge heraus. Dennoch ist es eine Notlösung. Denn aus dem Lautsprecher klingt eine Stimme nun mal oft „lautsprecherisch“ und unnatürlich verzogen. Außerdem streut die Stromversorgung der Lautsprecher nicht selten auf das eigene Mikro und Reportergerät. Bisweilen hört man das in den eigenen Aufnahmen später als Knistern und Ticken.

Mein Tipp deshalb: Unbedingt schon während der Aufnahme mit Kopfhörer reinhören und Streugeräusche checken. Und um ehrlich zu sein: Wenn ich nicht vom Mischpult aufnehmen und mich nicht mit Richtmikro in der ersten Reihe postieren kann, entscheide ich mich meist für’s „Nachklappern“:

6. Hinterher nochmal zum Interview bitten.

Ich lasse die Aufnahme also während der Veranstaltung mitlaufen, um einen szenischen Eindruck mit Atmo und Rednerfeeling zu haben. Die wesentlichen Aussagen hole ich mir aber später als Statements nochmal in einem Direkt-Interview mit der Rednerin/dem Sprecher.

Foto: Andreas Laisch/Kreissparkasse PfCW
Wenn’s nötig wird: Ran an den Redner.

Zugegeben: Wenn man das vorher nicht verabredet hat, ist das manchmal hektisch, weil man sich im Trubel erst noch mal zum Redner durchkämpfen und eine kleine Fragerunde erzwingen muss. Doch der Kampf lohnt. Die Statements aus dem 1:1-Gespräch lassen sich später nämlich super kombinieren zu den allgemeinen Atmo-Aufnahmen. Das Publikum kriegt so beides vermittelt: Den Rednerauftritt und die nötigen zentralen Aussagen.

Und wenn das alles nicht klappt? Dann steht man wohl oder übel irgendwo hinten im Saal in der Menge, reckt das Mikro über den Kopf und nimmt, was man kriegt. Meist sind das aber Aufnahmen, die man später nicht so ganz easy in den Beitrag bekommt.

7. Reine aus der Ferne aufgenommen Saal-O-Töne im Beitrag nicht freistehend verwenden.

Was die Redner vorne auf dem Podium reden, kommt hinten im Saal meist mit viel Hall und Nebengeräuschen an. Das versteht man vor Ort, wenn man sich konzentriert. Und das versteht man später am Schreibtisch, weil man weiß, worum es geht, und der Kopfhörer alles andere abschirmt. Viele, die später unter normalen Bedingungen Radio hören, verstehen das aber nicht mehr, weil sie nebenher Autofahren, ein Kleinkind im Ohr oder die Spülmaschine an haben.

Ich vermeide es deshalb, verrauschte und verhallte Redner-O-Töne in Beiträgen lange frei stehen zu lassen. Gerade und erst recht, wenn inhaltlich wichtig ist, was da gesagt wird. Stattdessen benutze ich die Original-Aufnahmen dann als untermalenden Teppich. Ich lasse die Atmo und den Anfang eines eventuell wichtigen Satzes kurz frei stehen. Dann paraphrasiere ich darüber selbst, was da Wichtiges gesagt wurde. Eine Notlösung. Klar. Aber eine, die trotzdem beides liefert, was so ein Beitrag braucht: Die Stimmung und den Inhalt.

 

Übrigens: „Mikro hinhalten reicht nicht- Teil 1“ gibts hier, Teil 2 da.

5 Antworten auf „Mikro hinhalten reicht nicht. (Teil 3)“

  1. Und wenn gar nix hilft gibt es zur Not ja auch Audiorestaurationsprogramme. Ich sitze gerade an einer ähnlichen Problematik; habe Konzertmitschnitte, war aber viel zu weit weg von den Lautsprechern bzw. der Bühne. Auf die ausgefuchste Idee sich einfach in die Tontechnik einzustöpseln bin ich dabei gar nicht gekommen. So habe ich eher eine lebendige Gesprächsathmosphäre als ein Konzert aufgezeichnet.

    Das Bild mit den Mikrofonen am Lautsprecher sieht mir allerdings schon sehr unbeholfen aus. ;) Klingt das denn überhaupt nach etwas?

    1. Na ja. Klingt halt nach „Hab ich mal so von der Box aufgenommen“. Ist übrigens ein Schnappschuss von der Auslandreise des Bundespräsidenten jüngst. Durch Afrika. Da war offenbar nix mit Splitbox. Kollegin Rebecca Lüer, von der das Foto stammt, war auch amüsiert – über den Anblick, nicht über die fehlende Splitbox. ;)

      Und zum Thema: Audiorestauration. Hinterher retten lässt sich viel weniger als man denkt. Deshalb: Vorbeugen ist besser als heilen. Auch beim Ton. ;)

  2. Ein vielleicht noch etwas ungewöhnlicher Tipp, für den Fall, dass man gar nicht vor Ort sein kann (was natürlich eine schlechte Ausgangslage ist). Da ja immer mehr Konferenzen, Pressekonferenzen oder Paneldiskussionen auch gleich live im Internet übertragen werden, könnte man den Ton einfach mitschneiden. Das geht sehr einfach mit Screencasting-Programmen. Hier ein ganz kleines Beispiel von einer gerade laufenden Debatte des Ethikrates. https://dl.dropboxusercontent.com/u/56925232/Rede%20Ethikrat.wav (lösche ich später wieder, damit der Dropboxlink nicht so lange hier rum steht :-) Voraussetzung ist natürlich, dass die Tonqualität der Debatte gut ist.

  3. In dem Fall habe ich Camtasia for Mac verwendet, gibts auch für PC als Camtasia Studio. Alternative beim Mac ist Screenflow. Das sind alles Programme, mit denen man sowohl Bildschirmaufnahmen machen wie auch bearbeiten kann. Für Nur-Audio reicht aber auch schon ein Programm wie Audio Hijack (leider nur Mac). Wichtig ist immer, dass die Programme das Systemaudio aufnehmen können. Das können nicht alle, weil dafür spezielle Komponenten installiert werden müssen. Die einfachen (wie Quicktime von Apple, das ja vorinstalliert ist) können nur das aufnehmen, was über das interne Mikro oder den Line-In bzw. USB reinkommt.

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