#newsneu: Experimentieren erwünscht.

Die Folgen der „Zukunftswerkstatt Radionachrichten“:
Neue Nachrichten bei DASDING. Mit Hindernissen. Leider.

Bastian Kruse macht Nachrichten bei DASDING, der Jugendwelle des SWR. Und nicht erst seit er bei der „Zukunftswerkstatt Radionachrichten“ in Magdeburg war, will er „die Nachrichten vom Sockel holen“. So nennt er das, und meint damit: Nachrichten, die „näher am Programm sind. Ich will den Bruch vermeiden zwischen Moderation und dem was nach dem Nachrichten-Jingle kommt. Ich will die Nachrichten von ihrer Künstlichkeit befreien.“

Bastian Kruse Über Bastian Kruse: Ist in Schleswig-Holstein radiosozialisiert worden. Ging nach Studium und Volontariat in den sonnigen Süden und arbeitet jetzt beim SWR. Mag Flammkuchen. Ist ein Nachrichten-Junkie – und deswegen auch als @unwort bei Twitter

Ideen dazu hatte er schon vor Magdeburg. „Aber die Lust und Energie, sie auch wirklich auszuprobieren, hab ich mir da geholt,“ sagt er. Die Folge: Nach der Zukunftswerkstatt hat Bastian Kruse in seiner Redaktion eine Experimentierrunde gestartet. Mit Demos. Testlauf. Und am Ende einer „neuen“ Sendung. 

Versuch 1: Die DASDING-Nachrichten als Gespräch (Demo)

„Das hat mich schon immer gereizt,“ sagt Kruse. „Auch wenn ich in Magdeburg gelernt habe, dass das gar nicht so neu ist. Das gab’s ja schon mal vor über 40 Jahren.“

Jetzt ging es ihm darum, den lockeren Gesprächston, den DASDING in seinen Moderationen pflegt, in die Nachrichten zu holen.

Doch so einfach war das nicht. Denn tendenziell werden Gespräche eben länger als aneinander gehängte Meldungen. Und an der DASDING-Standardlänge von 2:30 wollte man nichts ändern.

„Schwierig war auch der Rollentausch“, sagt Kruse. Denn für das Gespräch mussten sich nun auch die Moderatoren die nachrichtlichen Themen zu eigen machen. Nicht alle waren dafür geeignet. Und nicht immer blieb dafür ausreichend Zeit. Bei DASDING haben einzelne Moderatoren außerdem recht ausgeprägte Profile. Es gibt zum Beispiel Moderatoren, die sich explizit nicht für Fußball interessieren. „Wie also sollten die überzeugend ein sinnvolles Nachrichtengespräch über Fußball führen?“

Bei komplexen Politik-Themen wie UNO-Beschlüssen klangen die Fragen der Moderatoren zudem schnell hölzern und nicht stimmig. Und die Überleitungen von einem Thema zum anderen wirkten oft gekünstelt. „Ich hab zwar oft versucht, die Fragen von den Moderatoren selbst zu kriegen. Ich bin also hingegangen und hab gefragt: ‚Was würdest Du wissen wollen?‘,“ erzählt Bastian Kruse. Aber längst nicht immer hätten sich daraus gute Fragen ergeben.

Problem: Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt.

Manchmal entlarvten die Moderatoren in ihrer unbedarften Neugier auch die eigentliche Lücke in fragezeichenden News. Weil sie nach etwas fragten, was im Ausgangsmaterial der Agenturmeldung noch gar nicht geklärt war oder nur versteckt hinter Nominalketten. „Oft musste ich also erst noch weiter recherchieren, um ein sinnvolles Gespräch mit sinnvollen Fragen führen zu können,“ erzählt Kruse. Gut eigentlich. Und genau das, was News brauchen. Aber eben aufwändig. Und auf gar keinen Fall jede Stunde zu schaffen. Das war schnell klar.

„Dennoch hat mir das Gesprächige gefallen,“ sagt Kruse. „Denn das Gespräch erlaubt, was zu erklären, ohne oberlehrerhaft zu wirken.“ Eigentlich ideal für ein junges Publikum. In einer weiteren Variante hat er deshalb eine Kombination getestet aus Einstiegsgespräch für die Hauptmeldung und leger formulierten Meldungen im Anschluss.

Versuch 2: „Moderierte News“ mit Gespräch und erzählten Meldungen (Demo)

In diesem Versuch ging es vor allem darum, die Meldungen am Ende nicht nach dem Pyramidenmodell aufzubauen. Also ohne Leadsatz. Und eher erzählerisch.

Denn wie hatte Kruse es nach der Zukunftswerkstatt so schön formuliert: „Die Pyramide ist tot“.  Bei den Kollegen in Magdeburg hatte er damit Lachen und Applaus geerntet.  Viele schwärmten wie er vom Andockmodell.

Pyramidenmodell versus Andockmodell

Das Pyramidenmodell setzt auf die Neuigkeit im ersten Satz einer Meldung. Eine Pyramiden-Meldung hat demnach einen Leadsatz, der die eigentliche „News“ benennt. Dann folgen nach klassischem Verständnis Quelle – Einzelheiten – Hintergrund.

Das Andockmodell versucht dagegen im ersten Satz an das Vorwissen der Hörer anzudocken. Eine Andock-Meldung erzählt demnach auf die News hin, liefert also zuerst was nötig ist, um die eigentliche Neuigkeit zu verstehen. Bekanntester Fürsprecher des Andockmodells ist Thomas Kropf vom SRF. Auf seiner Seite hat er die Unterschiede eindrücklich gegenüber gestellt.

Dennoch brachte das Andockmodell im DASDING-Test Probleme:  Denn auch in diesem Fall kostet Erzählen Zeit. „Die Meldungen sind schnell ellenlang geworden. Manchmal auch eintönig und ausschweifend,“ findet Kruse. Für DASDING war das so nicht umsetzbar. Schade.

Versuch 3: DASDING-Nachrichten mit Hörerbeteiligung (Demo)

Hörer können Fragen zu den Nachrichten stellen? Coole Idee. Fanden schon die Macher der Zukunftswerkstatt in Magdeburg. Und fand auch Bastian Kruse.

Doch mehr als dieses Demo mit einer (nicht echten) Frage wurde es nicht. Denn: „Wir haben nicht das Personal dafür,“ sagt Kruse. Oder anders ausgedrückt: Wer sollte sich um die all die Fragen der Hörer kümmern? Wer wählt die aus? Wer beantwortet die, die nicht on air gehen? Am Ende war das nicht umsetzbar.

Das Ergebnis: Die neue Sendung einmal am Tag mit Platz für Hintergründiges

Nach einigen Wochen Demos und Testlauf entstand deshalb eine neue Sendung, an der – das sieht auch Kruse so – gar nicht so viel neu ist. Jedenfalls nicht in der Nachrichtenwelt generell. Nicht im Sinne einer Revolution. Aber eben für DASDING.

Denn die Jugendwelle erlaubt sich jetzt in der 18 Uhr-Sendung von Montag bis Freitag eine Art „Thema des Tages“. Auch wenn das auf Sendung nicht so heißt. Gemeint ist eine ausführliche, hintergündige, lange erste Meldung mit Einspielern und Tönen. Durchaus spielerisch. Mal mit Korri-Ton, mal mit Umfrage, mal mit Telefoninterview oder Zusatzinfos aus der Fachredaktion. Und Bastian Kruse ist damit zufrieden. „Klar, die Dummies waren viel weiter gehend. Aber die organisatorischen Fragen lassen sich nun mal nicht ausblenden. Und Längen, Workflow, Arbeitsteilung sind nun mal wie sie sind.“

Das klingt ein wenig resiginiert. Aber Kruse widerspricht: „Das ist ja nicht das Ende. Die Energie, die ich aus Magdeburg mitgenommen habe, ist weiter da. Und wenn wir ne gute Idee haben, probieren wir das aus.“ Man sei bei DASDING ja außerdem schon weit. Sprachlich. In der Themenwahl. In der Art der Gestaltung. „Denn mal n Musiktitel in den News spielen, wenn es um ein angebliches Plagiat von Shakira geht, das haben wir auch bislang schon gemacht.“ Und das Andock-Modell sei nicht generell abgelehnt. Es kommt halt nur zum Einsatz wo nötig.

DASDING News

Mein Fazit:
Ich gebe zu: Ein wenig enttäuscht war ich. Zunächst. Denn ich habe mehr erwartet. Mehr Mut. Mehr Ausbruch aus den Formatzwängen. Und einen entschiedeneren Sprung über die selbst gebauten Zäune. Bastian Kruse hat doch schließlich selber in seinem Blog formuliert: „Bloß keine Reförmchen!“ Es brauche mehr als nur einen Schritt zu besseren/anderen Nachrichten. Und das soll’s nun also gewesen sein?

Besonders schade finde ich:

1. Das Gespräch so schnell aufzugeben, weil das angeblich nicht in die Rollenzuschnitte der Moderatoren passt. Denn könnte man nicht auch damit witzig spielen? Könnte der Moderator, der sich so gar nicht für Fußball interessiert, sich einleitend nicht genau darüber lustig machen/aufregen? Dass wieder alle in der Redaktion und seiner Facebook-Timeline über „Schweini als Kapitän“ reden? Motto: „Worum geht’s denn eigentlich?“ Und der Newser darf darauf reagieren. Vielleicht auch mal in einem weniger nachrichtlichen Ton?
2. Die große Angst, aus dem Zeitgefängnis auszubrechen. Einmal am Tag? News länger als 2:30? Warum denn nicht? Wenn die doch auch lässiger klingen und gesprächiger rüberkommen. Und muss ja gar nicht jedes Mal so sein, sondern eben nur dann, wenn die Themen es her geben/nötig machen. Eben nach Bedarf.
3. Den schnellen Abschied von der Hörerbeteiligung in den News. Ich verstehe zwar, dass das als Dauereinrichtung schwierig ist, weil es eine unglaublich aufwändige Logistik und Personal verlangt. Und mir ist klar, dass es bei News-Themen besonders schwierig ist, an sinnvolle Hörerbeiträge zu kommen. Schließlich geht’s in den News um Themen, die neu sind und zu denen viele noch gar nicht viel sagen und fragen können. Dass das als „Frag die News“-Dauer-SMS-Angebot funktioniert, bezweifle ich deshalb selber.
Dennoch: Könnte man nicht auch die Hörerbeteiligung in den News punktuell einsetzen? Dann eben, wenn ein Thema erwart- und planbar in die Nachrichten kommt? Die Diskussion ums Bafög ist da vielleicht ein gutes Beispiel. Denn dass die Entscheidung dazu kommt, wusste man. Vielleicht hätte man schon frühzeitig hinweisen können, dass der Sender heute dazu Fragen sammelt und beantwortet. Oder sich in einer Gewerbeschule mit „Betroffenen“ verabreden, denen man die Entscheidung erklärt, und deren Fragen man dann einsammelt? Klar: Auch dazu braucht’s Personal. Aber eben nur gelegentlich. Und die Ergebnisse wären  ja nicht nur in den Nachrichten einsetzbar.

Aber klar: Bastian Kruse hat Recht, wenn er sagt „Wir sind ja schon sehr weit bei DASDING“. Denn „die Nachrichten aus ihrer Künstlichkeit holen“ – das haben die DASDINGER längst geschafft. Auch in ihren bisherigen Sendungen. Ich kenne jedenfalls wenige Radionachrichten, die so konsequent verständlich, in einfachen Sätzen getextet sind, mit absolut schlüssiger Logik und unprätentiös-jungem Ton. Die Sprach- und Sprechforscher aus Halle hätten ihre Freude dran. Und ich als Hörerin sowieso. Insofern ist das jetzige Ergebnis eben wirklich nur ein kleiner, aber eben ein weiterer Schritt.

Und das allerschönste: Die DASDINGER reden drüber. Öffentlich. Und sie regen genau damit an zu weiteren Ideen und Experimenten. Hier im Blog. Im eigenen Haus. Oder beim nächsten Seminar. Mir gefällt das.

Disclosure: Sandra Müller, die Betreiberin dieses Blogs, arbeitet als freie Mitarbeiterin selbst für den SWR, allerdings nicht für DASDING.

Eine Antwort auf „#newsneu: Experimentieren erwünscht.“

  1. Interessant! Und ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen. Der Schweizer Sender SRF Virus hatte diese Form der Nachrichten schon vor ca. 10 Jahren. Dann aber wieder abgeschafft – aus Ressourcengründen und weil wenig Akzeptanz beim Publikum.

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