Unter www.leichtesprache.org gibt es Tipps, die auch Radiomachern helfen, bessere Texte zu schreiben. Solche, die man auf Anhieb besser versteht. In „leichter Sprache“. Erfunden haben die nicht Radiomacher. Sondern Leute, die Menschen mit Lernschwierigkeiten helfen. Solche Menschen tun sich nämlich oft schwer mit verschachtelten Sätzen. Mit komplizierten Wörtern. Mit abstrakten Ausdrücken. Doch mal ehrlich: Eigentlich tun wir das alle. Oder was genau haben WIR nach einmal Hören verstanden, wenn uns ein Nachrichtensprecher im Radio folgenden Meldung vorliest:
Westerwelle kritisiert jüngste Gewalt in Syrien
Außenminister Westerwelle hat die jüngsten Entwicklungen in Syrien scharf kritisiert. Falls Präsident Assad zu keinem Kurswechsel bereit sei, würden gemeinsam mit der EU weitere Sanktionen verhängt. Die syrische Armee ist am Morgen mit Panzern in die Protesthochburg Hama einmarschiert. In der Stadt hatte es zuletzt besonders große Demonstrationen gegen die Herrschaft von Präsident Assad gegeben. Es soll zahlreiche Opfer gegeben haben. Aktuell ist die Rede von 20 bis 95 Toten und über 100 Verletzten. Die Angaben können allerdings nur schlecht überprüft werden, da Syrien die meisten ausländischen Journalisten ausgewiesen hat.
Geht man den Regelkatalog für „Leichte Sprache“ durch, stellt man fest, dass in dieser Meldung viele Regeln missachtet werden:
- Es kommen lange Wörter vor, die vermeidbar sind: Protesthochburg
- Es kommen Fremdwörter vor, die vermeidbar sind: Sanktionen, Demonstrationen
- Das Gleiche wird mal so, mal so beschrieben: Gewalt/Entwicklungen
- Es wird nicht erklärt, was damit gemeint ist.
- Statt Verben, werden viel Substantive benutzt: Sanktionen verhängen, es hat Demonstrationen gegeben
- Der Text ist oft sehr passiv geschrieben: es hat Demonstrationen gegeben
- Es wird der Konjunktiv verwendet, wo es vermeidbar wäre: würden(…)weitere Sanktionen verhängt
- Es wird mit Verneinungen gearbeitet, wo sie nicht nötig sind: Falls Präsident Assad zu KEINEM Kurswechsel bereits sei
- Es werden Redewendungen und bildliche Ausdrücke benützt, die nicht auf Anhieb verständlich sind: zum Kurswechsel bereit sein, Protesthochburg
- Die Sätze sind zum Teil sehr lang: Falls Präsident Assad zu keinem Kurswechsel bereit sei, würden gemeinsam mit der EU weitere Sanktionen verhängt.
Nur ganz weniges aus dem Regelkatalog für „Leichte Sprache“ ist im Radio nicht durchzuhalten. Die Anweisung, keinen Genitiv zu benutzen, zum Beispiel. (Der Dativ ist nun mal an vielen Stellen grammatikalisch falsch.) Oder nie im Konjunktiv zu sprechen. (Schließlich braucht man den im Radio, um in der indirekten Rede klar zu kennzeichnen, was ein anderer gesagt hat: „Die Kanzlerin sagt, das sei falsch.“).
Die meisten anderen Regeln aber lassen sich wunderbar übertragen. Sogar die Vorschläge, wie man Manuskripte so schreibt, dass sie gut lesbar sind. Wer die Regeln für „Leichte Sprache“ also Schritt für Schritt abarbeitet, kann kaum was falsch machen. Und die Beispielmeldung über Westerwelles Reaktion zur Gewalt in Syrien lässt sich deutlich vereinfachen. Wenn Ihr Lust habt, versucht es mal! Und schickt Eure Lösung an sandra.mueller[at]radio-machen.de
Übrigens: Es ist gut möglich, dass Eure Meldung etwas länger wird als das Original. Denn um Dinge verständlich zu erklären, braucht man Zeit. Und weil man die im Radio oft nicht hat, entstehen manchmal komplizierte Meldungen. Dennoch: Macht die Übung für den Anfang so, als hättet Ihr alle Zeit der Welt. Und dann überlegt, was überflüssig ist. Und wenn Ihr noch mehr Infos braucht, holt sie Euch.